FUD. Fear, Uncertainty & Doubt

Eine perfide Kommunikationsstrategie

"Junge Frau nach COVD-Impfung gestorben“. Eine Schlagzeile, die erschüttert. 
Aber stimmt sie? Nun, vielleicht. Doch wer bei diesem Thema skeptisch und kritisch bleibt, dem bieten die unendlichen Weiten der sozialen Medien genügend andere Horrorszenarien: „Migrantenwellen aus Afrika überfluten Europa“. „Unsere Schulen sind nicht mehr sicher.“ "Mädchen werden von Migranten vergewaltigt". Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.  
Was all diese Meldungen eint: Sie schüren Angst. 
Angst vor dem Klimawandel, Angst vor Atomkraft, Angst vor Altersarmut oder aktuell: „Wir werden durch Waffenlieferungen an die Ukraine Kriegspartei und Russland antwortet dann mit Atomwaffen“, kurz: „Atombomben auf Berlin“. So der Tweet von Gesundheitsminister Karl Lauterbach vor zwei Wochen. Angst vor dem Atomtod. Das verunsichert. Und Verunsicherung erzeugt wieder: Angst. 

Wer hier noch gelassen abwinkt, macht es sich zu einfach. Denn Angst und Unsicherheit zu schüren oder Zweifel zu säen, ist eine der wirksamsten politischen Strategien überhaupt. Nichts bewegt Menschen mehr als die Angst um die eigene Existenz oder die der Familie. Es gibt kaum eine bessere politische Kommunikationsstrategie, um Menschen zu beeinflussen. Also Desinformation oder Propaganda zu verbreiten. Denn wer Angst hat, sucht Zuflucht bei denen, die Sicherheit versprechen. Nicht selten bei Personen, Parteien oder Institutionen, die Autorität oder Macht versprechen, die stark und durchsetzungsfähig erscheinen. Putin und AfD lassen grüßen.  
Und irgendwann trifft eine Nachricht vielleicht auch die eigene Angst. Und dann?  
Dann ist es gut zu wissen, was dahinter steckt. 
Die Kommunikationsstrategie dahinter hat einen Namen: FUD. Fear Uncertainty and Doubt: Angst, Ungewissheit und Zweifel. Die Strategie ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit - aber diesen Namen trägt sie erst seit Beginn des Computerzeitalters, seit den 70er Jahren.  
Als Kommunikationsstrategie wurde sie erstmals von IBM eingesetzt. Ihren Namen verdankt sie Gene Amdahl, einem ehemaligen IBM-Mitarbeiter, der das Unternehmen 1970 verließ und 1975 seinen ersten eigenen Computer auf den Markt brachte. IBM verwendete damals eine Strategie, die Amdahl wie folgt beschrieb: "FUD is the fear, uncertainty, and doubt that IBM sales people instil in the minds of potential customers who might be considering [Amdahl] products.The idea, of course, was to persuade them to go with safe IBM gear rather than competitor equipment. This implicit coercion was traditionally accomplished by promising that good things would happen to people who stuck with IBM, but dark shadows loomed over the future of competitor equipment or software."

Eigentlich ganz einfach: IBM-Verkäufer verunsicherten Menschen, die mit dem Gedanken spielten, ein anderes Produkt zu kaufen, indem sie Zweifel am Konkurrenzprodukt weckten. Eine sehr perfide und geniale Strategie, denn man behauptet weder: "Das Produkt des Konkurrenten ist schlecht", was man im Zweifelsfall beweisen müsste. Noch behauptet man: "Unser Produkt ist besser", was jemand widerlegen könnte. Man lässt die Kunden einfach im Ungewissen und sät Zweifel am Konkurenzprodukt. 

Nach 1990 fand die FUD-Strategie Eingang in die breitere Öffentlichkeit  und in die Kommunikationstheorien. Seit dem Aufkommen der sozialen Medien ist FUD bekannter geweorden und zu einem Oberbegriff, der fünf weitere Unterkategorien der bis dahin so genannten „schwarzen Rhetorik“ zusammenfasst: FLICC. Die Unterkategorie der FUD-Stratgei hat insgesamt mehr als 36 rhetorische Mittel zur Verunsicherung des kommunikativen Gegenübers. Dahinter verbergen sich solche taktische Mittel wie der in den sozialen Medien gängige „Whatbaoutism“, oder das beliebte „vergleichen von Äpfeln mit Birnen“ oder die immer wieder gern zitierten „falschen Experten“.

Politisch impliziert ist ein weiterer, erwünschter Aspekt der FUD-Strategie der Verlust von Vertrauen. Gezielt geschürte Zweifel verringern das Vertrauen in bestehende politische Organisationen und deren Repräsentanten, wie z.B.: in die Justiz, die Polizei und ganz direkt: in den Bundestag und seine Abgeordneten sowie in die klassischen Medien.

Wer dann den bestehenden Organisationen nicht mehr ausreichend vertraut und gleichzeitig Angst vor der Zukunft eingeimpft bekommt, ist auf dem besten Weg, in die Fänge der Populisten zu geraten. Denn im Gegensatz zu Fake News basiert die FUD-Strategie durchaus (zumindest teilweise) auf Fakten. Diese Fakten werden aber instrumentalisiert und mit Angstszenarien versehen, in die Zukunft zu verlängern. Der einzige Ausweg ist, Populisten zu wählen. Andere Szenarien gibt es nicht. Sie werden nicht mehr angeboten.

Wie begegnet man dieser perfiden Stratgie? Es bleibt nur die Verantwortung zu recherchieren. Jeder für sich - und natürlich die Medien. Fakten, Fakten, Fakten. Damit kann man sich selbst ein Bild machen. Aber es reicht nicht, um andere zu überzeugen. Denn Fakten gegen Angst ist ein hoffnungsloses Unterfangen. 

Nötig wären positive Gegen-Narrative, positive Zukunftsszenarien. Das ist zu aller erst die Verantwortung der Politik.

 

Quellen: 
 

http://www.catb.org/jargon/html/F/FUD.html

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.fud-bedeutung-mhsd.bf1ed96f-7b23-43b6-9367-a91fea1ce6c0.html

https://lbank-exchange.medium.com/what-is-a-fud-strategy-03b89c40663c

https://verfassungsblog.de/angst-und-politik-in-der-pandemie/

https://www.zeit.de/2016/35/angst-klima-politik-vertrauen-debatte-glaube


https://www.diw.de/de/diw_01.c.882253.de/nachrichten/angst_als_instrument_der_macht.html
 

 

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