Margarita Simonyan ist, wenn man es etwas freundlicher formulieren will, so etwas wie die Chefpropagandistin des Kreml. Doch in Deutschland ist sie trotz der Taurus-Affäre der Luftwaffe kaum bekannt. Das liegt unter anderem daran, dass "Russia Today" bereits im Februar 22 in Deutschland verboten wurde. Doch dieses Verbot lässt sich leicht umgehen - zum Beispiel auf Facebook. Dort sendet Russia Today munter weiter in englischer Sprache an rund 30.000 Follower. Aber auch die deutschen RT-Beiträge sind weiterhin auf Facebook abrufbar. Der deutsche Facebook-Kanal wurde zwar geo-geblockt, aber eben nicht gelöscht. Wer sich als deutscher Nutzer als Bürger eines anderen Landes ausgibt, erhält wieder Zugang. Die deutschsprachigen Inhalte von RT werden dann, trotz Sperre, von privaten deutschen Accounts wiederum weiter verbreitet.
Margarita Simonyan wäre nie soweit gekommen, ohne einflussreiche Unterstützung. Die hat sie beispielsweise durch Aleksei Gromov, einen engen Berater Putins. Sie hat auch direkten telefonischen Zugang zum Präsidentenpalast. Auf ihrem Schreibtisch steht ein gelbes Telefon mit einer gesicherten Direktverbindung in den Kreml „zur Besprechung geheimer Angelegenheiten“, wie sie sagt. Der direkte Zugang in Regierungskreise und die vorbehaltlose Unterstützung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben ihr inzwischen einen Platz ganz oben auf der Sanktionsliste der EU eingebracht. Neben dem Verbot aller RT-Sender wurde ihr die Einreise in die EU untersagt - und falls sie Vermögen in der EU hatte, wurde es beschlagnahmt.
Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen: Denn ihre Ausbildung zur Fernsehjournalistin absolvierte Margarita Simonyan Mitte der 90er Jahre ironischerweise in den USA, wo sie ein Schuljahr in New Hampshire verbrachte. Und davor ein Jahr in London. Ihre Eltern hätten es gern gesehen, wenn sie in den USA geblieben wäre - aber sie wollte zurück und schloss ihr Journalistikstudium in Krasnodar ab. Über eine russische Lokalzeitung und einen lokalen Fernsehsender wurde sie 2005 Chefredakteurin von Russia Today. Seit 2013 ist sie zusätzlich Chefredakteurin von Rossija Sewodnja, einer staatlichen Nachrichtenagentur, die unter der Dachmarke "Sputnik" in 30 Sprachen sendet. Allein 2015 stellte der russische Staat rund 300 Millionen Euro für den Ausbau der Agentur zur Verfügung.
Margarita Simonyan sitzt also wie eine Spinne in einem staatlichen Mediennetzwerk mit globaler Ausdehnung, das gerade nach dem Beginn des Überfalls auf die Ukraine geschaffen wurde, um die russische Sicht auf die Welt zu fördern. Vorsichtig formuliert. Dabei beschränken sich Sputnik oder RT nicht nur auf Falschmeldungen, sondern führen gezielte Diffamierungskampagnen gegen westliche Politiker durch. So wurde beispielsweise dem französischen Präsidenten Macron in einer groß angelegten Social Media Kampagne unterstellt, er sei homosexuell.
Salve.TV in Thüringen und Megaradio Bayern - RT-Ableger
Was in der öffentlichen Aufmerksamkeit für RT.TV völlig untergeht, ist, dass Russia TV in Deutschland einige Ableger gegründet hat. Zwei mit ehemals großer Reichweite stellen wir vor: Einen in Thüringen (sic!) und einen in Bayern.
Der Privatsender "Salve-TV" und das Megaradio Bayern waren über mehrere Jahre Partner von Russia Today und Sputnik und übernahmen deren deutschsprachigen Sendungen unkommentiert. Salve-TV-Gesellschafter Klaus-Dieter Böhm stellte auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung lapidar fest, dass eben die russische Sicht der Dinge dargestellt werde und dies "ein Gegenpol zur Anti-Putin-Berichterstattung deutscher Medien" sei. Und: "Russland ist nicht unser Feind". Inzwischen ist die Zusammenarbeit beendet und die Thüringer Landesmedienanstalt sieht derzeit keinen Grund (mehr), Salve.TV weiter zu kritisieren. Beim aktuellen Durchstöbern der Sendungen auf der Homepage fällt allerdings auf, dass neben der Lokalberichterstattung häufig Sendungen mit "Schlagseite" zu sehen sind. "Das war die DDR" heißt eine Reihe, in der DDR-Bürger erzählen, wie schön es doch in der DDR war, "damit das nicht vergessen wird". Und der Moderator der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung darf dann in einer Sendung über Russland im April 24 das dortige politische System als "semi-päsidiale, föderale Republik" bezeichnen. Das ist streng genommen natürlich nicht falsch. Aber vielen Politikwissenschaftlern, die sich mit Russland beschäftigen, würde im April 24 eine andere Bezeichnung für das dortige politische System einfallen. Schließlich wird es dann in "Dotterweichs Nachtschoppen" richtig populistisch. So heißt es in der Sendungsbeschreibung vom 03. September 23: "Der selbstorganisierte Untergang nimmt seinen Lauf. Während Deutschland und die EU den Kolonialismus befeuern, rumort es im Nordhäuser Rathaus,....". Da werden alle Parteien außer der AfD von den Moderatoren als "Mischpoke" bezeichnet oder Göring Eckhardt von den Grünen als "Wahlkampfhelferin für die AfD". Da wird Lenin munter und gleichberechtigt neben Höcke zitiert.
Das Megaradio Bayern wiederum ist seit 2011 Rechtsnachfolger von Radio Fantasy und hatte als Ableger-Sendung das "Mega Radio SNA", das über 18 Stunden täglich in Berlin, Frankfurt und Hamburg russische Propaganda in deutscher Sprache von Sputnik übernahm und verbreitete. 2019 wurde der Sender zunächst in Berlin verboten, 2022 nach dem russischen Überfall auf die Ukraine auch in den anderen Städten.
Quellen:
https://www.salve.tv/tv/Salve/23006/»Das-war-die-DDR«---Folge-4
https://www.sueddeutsche.de/medien/kritik-an-salve-tv-privatpropaganda-1.2502541
https://www.suedtirolnews.it/politik/wieder-propaganda-patzer-in-russland
https://www.n-tv.de/politik/Thueringer-Lokalsender-zeigt-RT-Deutsch-article15211066.html
https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/facebook-russland-rt-101.html
https://www.cicero.de/aussenpolitik/kreml-propagandistin-margarita-simonjan-rt-die-scharfmacherin
https://euobserver.com/world/154417
https://de.usembassy.gov/de/gesichter-der-kreml-propaganda-margarita-simonjan/
https://www.fr.de/politik/rt-chefin-offenbart-taktik-zur-umgehung-von-sperrungen-im-staats-tv-92017801.html
https://sputnikglobe.com
https://www.zeit.de/politik/2017-02/fake-news-emanuel-macron-russland-rekonstruktion
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